“…im Jahre 2002 haben sich lediglich 63,2 Prozent der wahlberechtigten Bürger des Freistaats an der Kommunalwahl beteiligt. Das heißt, deutlich mehr als ein Drittel aller Wähler ist zu Hause geblieben, hat darauf verzichtet, den Bürgermeister, Gemeinderat oder Landrat seines Wohnorts beziehungsweise seines Landkreises zu wählen. Eine Tendenz zur Wahlenthaltung, die seit langem auch bei Bundes- und Landtagswahlen zu beobachten ist, bei der Kommunalwahl aber noch augenfälliger wird. Schließlich hat der Bürger bei dieser Wahl die Möglichkeit, jene Personen zu bestimmen, die für die nächsten sechs Jahre für die Gestaltung seines unmittelbaren Lebensumfeldes die politische Verantwortung tragen sollen.
Ist es also nur Schönfärberei, wenn Kommunalminister Joachim Herrmann mit Pathos erklärt: ´Unsere Kommunen verkörpern den Aufbau der Demokratie von unten nach oben. Sie sind die Nahtstelle zwischen Bürger und Staat, die Stelle, wo sich Bürger und Gemeinwesen unmittelbar begegnen. Alle Erfahrungen zeigen: dieses vertraute Umfeld bedeutet den Menschen sehr viel, sie fühlen sich dort geborgen und verspüren Halt in einer immer unübersichtlicher werdenden Welt`.“
„… Die immer stärker werdende parteipolitische Ausrichtung in den Gremien ist ein weitere Grund, warum Politikverdrossenheit längst auch die unterste politische Ebene erfasst hat …
… dann hadern selbst gestandene Kommunalpolitiker mit jenen Bürgern, die für sich in Anspruch nehmen, mit ihren Steuern und Abgaben ein ´Rundum – Sorglos – Ticket` für ihre Stadt oder Gemeinde erworben zu haben. Wenn es dort irgendwelche Probleme gibt, dann müssen sie gefälligst von den örtlichen Politikern gelöst werden … das Vertrauen und die Erwartungen sind grenzenlos. Wir sind manchmal nicht mehr in der Lage, dem Bürger zu erklären, dass es Dinge gibt, für die wir gar nicht zuständig sind …
… das durch die Verfassung garantierte Recht, die eigenen Angelegenheiten unabhängig vom Staat zu regeln, stärkt die Position der Kommunen. Kein anderes System bietet den Bürgern mehr Möglichkeiten, unmittelbar Einfluss darauf zu nehmen, wie attraktiv und lebenswert ihr Gemeinwesen ist. Bezahlbarer Wohnraum, Möglichkeiten zur Kinderbetreuung, ein gutes Schulangebot, wohnortnahe Arbeitsplätze, Angebote für Senioren, eine angemessene medizinische Versorgung, eine ordentliche Verkehrsinfrastruktur und Sport-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen bestimmen heute die Qualität einer Kommune.
Wer Bayerns Dörfer, Städte und Landkreise kennt, der weiß, welch hohes Niveau die kommunale Daseinsfürsorge erreicht hat. In vielen dieser Einrichtungen steckt auch das Vermögen der Bürger….wiederkehrende Forderungen ..nach einer stärkeren Privatisierung kommunaler Dienstleistungen sind deshalb zurückzuweisen… als..ärgerliche Versuche, die im Rahmen kommunaler Dienstleistungen erzielten Gewinne zu privatisieren und deren Verluste zu kommunalisieren.“ (Zitierung verkürzt).
„Die Gemeinde sind wir“ SZ vom 1./2.3.2008 zur Kommunalwahl von Andreas Roß
So sollte es sein – so ist es aber ganz gewiss nicht (mehr überall)!
Erfahrungen, Zugehörigkeitsgefühl, Halt und Geborgenheit im vertrauten Umfeld: Hier fehlt es gewaltig. Die Größe der Gemeinden und der Trend zur Ausgrenzung verhindern den geschilderten und offensichtlich auch gewünschten Effekt.
Die Schaffung kleinerer Gemeindeeinheiten, die Einbindung der Bürger in diese Kleinstgemeinschaften durch Wiederbelebung des unserer Verfassung zugrunde liegenden Gedankens der Gemeinde, durch Schulung der Gemeindemitglieder zu Bürgern – eine Bewegung und ein Ziel, das viele gesellschaftlichen Probleme auf demokratischer Basis lösen helfen kann.
Problemlösung einmal nicht inhaltlich, sondern strukturell angehen. Durch Schaffung neuer Organisationsstrukturen Probleme von der Basis her bearbeiten! Demokratie von unten schaffen! Probleme können an der Basis in der Regel früher erkennt werden als im landes- oder bundesrepublikanischen Bereich; auf sie kann vom Basisbereich aus schneller und flexibler reagiert werden. Durch Kommunikation zwischen Basisgemeinschaften kann unterschieden werden zwischen individuellen und gemeindeübergreifenden Anliegen. Diese Wahrnehmungen schärfen das Gespür für Basisprobleme, bilden ein gesundes Gegengewicht etwa zur Lobbyarbeit der Interessenverbände, schärfen das politische Bewußtsein der Parteien.