Gemeinschaft, Gesellschaft, demokratische Werte
Wer unter diesem Begriff vornehmlich „eine geschworene, geschlossene Gruppierung“, eine „verschworene Gemeinschaft“ sucht und versteht, hat die Idee der demokratischen Gesellschaft nicht verstanden.
Die demokratische Gesellschaft
siehe Artikel 20 und 28 des Grundgesetzes – Wortlaut (Wikipedia)
Artikel 20
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
und
Artikel 28
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
Die demokratische Gesellschaft…
… soll ein Zusammenleben aller Bürger ermöglichen, unabhängig von deren Herkunft, Alter, Geschlecht, Gebrechen oder Interessen.
Die Regeln des Zusammenlebens sind im Grundgesetz und darauf basierend in gesetzlichen Bestimmungen fixiert, die für alle Bürger überschaubare (und auch abänderbare) Grenzen markieren.
Die verbindliche Auslegung dieser Gesetze ist der dritten Gewalt, der unabhängigen Gerichtsbarkeit vorbehalten, um jedweder Willkür vorzubeugen.
Jedes Gesetz und jedes Verwaltungs- oder Regierungshandeln unterliegt damit grundsätzlich der Überprüfung durch die Gerichtsbarkeit auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen unseres demokratischen Staatssystems.
Durch diese Gewaltenteilung – Parlament, Regierung und Justiz – wird die Kontrolle der Macht der Institutionen gewährleistet.
Machtkontrolle stellt ein wichtiges Instrument dar, um Fehlentwicklungen etwa in der Wirtschaft zu bremsen oder Schutzwälle im Sozialbereich zu errichten etc.
Das Ausüben objektiver Kontrolle der Regierungsmacht ist die Hauptaufgabe der Opposition in den Parlamenten.
Viele Mitbürger haben ein falsches Verhältnis zu Kritik, Hinterfragung von Entscheidungen und sehen in Meinungen von Außenseitern, die sich dem Mainstream widersetzen, keinen Sinn, fühlen sich sogar bedroht durch solche Randmeinungen.
Dem liegt ein falsches Verständnis von (demokratischer) Gemeinschaft zugrunde.
Erklärbar aus unserer Entwicklungsgeschichte, neigen viele Mitmenschen spontan zur Ablehnung von Mindermeinungen. Sie werden gleichgesetzt mit Netzbeschmutzung, einer Beleidigung der „führenden Meinung“, der Ansichten des „Führers“.
Gemeinschaft erschöpfte sich in der Abgeschlossenheit und Exklusivität der Mitglieder; lediglich die Zugehörigkeit zählt; die Gruppe bezieht ihre Stärke aus der Abgrenzung nach außen, gegenüber Nichtmitgliedern; die inhaltliche Rechtfertigung übernimmt der Anführer; Gehorsam ist angesagt.
Ein derartiges Gemeinschaftsmodell war sicherlich in Zeiten der Sippschaften angemessen und erfolgreich; wenn eine Gruppierung von Menschen, die keinen festen Wohnsitz kennen, sich ständig von außen bedroht sehen und auf Angriffe schnell reagieren müssen, mag diese Organisationsform die besten Ergebnisse bringen: wer lange fragt, warum er etwas tun muss, verliert Zeit und blitzschnelles gemeinschaftliches Handeln ist dann die Voraussetzung für ein Überleben.
Ähnlich wie im Tierreich lautet dann die Losung: schnell und entsprechend den Anweisungen des „Führers“ handeln.
Der Führer übernimmt die Verantwortung für die Gruppe, die ihm blindlings folgen muss!
Aber um in der Zeit zu bleiben: wehe, der Führer versagte; wehe, wenn er seiner Verantwortung nicht gerecht wurde: dann wurde nicht lange gefackelt, sein Tod beschlossen und der Nachfolger bestimmt!
Nachzulesen bei Sigmund Freud, „Totem und Tabu“, 1913 erschienene Schrift.
Welcher Führer ist in heutigen Zeiten bereit, diesen Preis für Fehlentscheidungen zu zahlen, als „gerechten Ausgleich“ für die Machtfülle, die ihm verliehen wurde??!
Diktatoren haben bewiesen, dass sie zwar die ihnen zugeflossene Machtfülle genutzt und ausgelebt haben, sich vor den Konsequenzen aber gedrückt haben: sie haben sich bereichert und versucht, ihre Macht unangreifbar zu verfestigen.
Das Leid, das ihren Völkern aufgrund falscher Entscheidungen widerfuhr, wurde geleugnet, fremden Mächten und Völkern oder Minderheiten unterstellt.
Jedweder Verantwortung für ihr Handeln wollen und wollten sie sich entziehen. Ein alles andere als vorbildliches Verhalten, das sich in der Geschichte ständig wiederholt.
Was muss im Kopfe eines heutigen Mitbürgers vorgehen, der einem ehemaligen Führer dieser Provenienz nachfolgen, nacheifern will??!
Ein derartiger Mitbürger hat die Zeitenwende hin zur Demokratie nicht begriffen.
Im Gegensatz zu seiner eigenen Einstellung dürfen wir ihn zwar kritisieren, aber nicht aus unserer Gesellschaft ausgrenzen: auch die Armen im Geiste sind Teil der Gesellschaft und gehören dazu.
Ihnen muss vermittelt werden, dass sie Mitglieder einer demokratischen Gesellschaft sind.
Wir werden nicht als Demokraten geboren. Die Einsicht in die Vorzüge dieser politischen Gesellschaftsordnung muss anerzogen und bewusst gemacht werden.
Dieser Erkenntnisprozess muss in jedem einzelnen Mitbürger vollzogen werden: der Grundsatz, alle Macht geht vom Volke aus, ist keine Worthülse; den Grundsatz umzusetzen, ist eine ständige Aufgabe, an deren Verwirklichung gearbeitet werden muss.
Die Zugehörigkeit zu einer demokratischen Gesellschaft bedeutet gleichzeitig, Verpflichtungen zu übernehmen: den andersdenkenden, den andersgläubigen Mitbürger anzunehmen, ihn als gleichberechtigten Partner zu tolerieren.
Auch dann, wenn ich seine Ansichten ablehne und ihn nicht lieben mag!
Ein Zusammenleben aller mit allen bringt Schwierigkeiten mit sich, wie wir sie täglich am eigenen Leibe erfahren.
Es existiert aber keine bessere Gesellschaftsform als die Demokratie zur Bewältigung dieser Probleme. Oder gibt es eine Alternative?
Wenn jemand behauptet, man brauche nur diese oder andere Mitbürger nach Hause schicken oder aus der Gesellschaft aussondern, dann werde alles wunderbar, national und heimisch, dann handelt es sich um einen Wichtigtuer, der auf sich aufmerksam machen will.
Wie soll in heutigen globalen Zeiten ein derartiges Vorhaben praktisch umgesetzt werden? Welche persönlichen Interessen hat dieser Mitbürger an der Durchsetzung seiner Ideen? Welche Konsequenzen ergeben sich beispielsweise für unsere Wirtschaft, unsere Freizügigkeit, unser Urlaubsverhalten?! Was genau soll es uns bringen, außer einem Weniger an irrationalen Ängsten?
Derartige Rattenfänger – Ideen können nur erfolgreich sein, wenn die angesprochenen Bürger die Parolen nicht verstehen oder missverstehen; und damit um ihre Wahlstimme betrogen werden.
Mit allem Fremden muss sich auseinandergesetzt werden; es muss in unseren Alltag integriert werden. Das heißt nicht, dass alles übernommen werden muss. Vor- und Nachteile sind gegeneinander abzuwägen; was bringt es mir und anderen an Vor- und Nachteilen.
Der Vorteil liegt darin, dass Fremdes auch Neues bedeutet oder beinhaltet und die Auseinandersetzung damit die Erkenntnis unserer eigenen Interessen bereichert oder aber das Bestehende in seinem Wert bestätigt.
Lösungen müssen innerhalb der demokratischen Gemeinschaft herausgearbeitet werden. Diese Lösungen werden dann getragen von Mehrheiten in dieser Gemeinschaft, können aber auch wieder mehrheitlich abgeändert werden.
Je näher diese demokratische Gemeinschaft meinem Lebensumfeld ist, etwa die hier immer wieder vorgestellte „Basisgemeinschaft“ als Gemeinde oder unterteilte Gemeinde, desto unmittelbarer wirkt sich die erarbeitete Lösung auf meine Wohnumgebung / mein Lebensumfeld, mein tägliches Leben aus.
In der Praxis – Umsetzung dann erkennbare neue und weitere Probleme sind nach demselben Schema zu behandeln und zu lösen.
Ein niemals endender Prozess demokratischer Endscheidungen.