Interessen bestimmen unser Leben.
Unsere eigenen Interessen glauben wir zu kennen: vieles wehren wir ab, weil es ohne Interesse für uns erscheint, weil es uns nicht interessiert.
Im täglichen Leben, in der Familie, am Arbeitsplatz, im Umfeld achten wir darauf, dass unsere Interessen gewahrt werden. Wie scheinen uns über die eigenen Interessen im klaren zu sein. Wer nicht weiß, was er will, dem kann man nicht helfen. Lohnt es sich nicht, über die eigenen Interessen nachzudenken, sie zu hinterfragen??
Immerhin ist zu bedenken, dass das Bewusstsein um unsere eigenen Interessen das Ergebnis einer Entwicklung aus eigenen Erfahrungen und Einflüssen von außen ist.
Unsere Interessen sind das Ergebnis eines Lern- , Erlebens- und Beeinflussungsprozesses und damit flexibel, anpassungsfähig, wandelbar.
Wenn wir die Werbung betrachten, die uns in der Regel Produkte schmackhaft machen will:
Hier werden Unsummen ausgegeben, um das Käuferinteresse auf die umworbenen Artikel zu lenken. Keine Firma würde weiterhin Geld in die Werbung und Vermarktung ihrer Produkte investieren, wenn sich ohne diesen Aufwand der gleiche Verkaufserfolg erzielen ließe.
Also hilft die Werbung, ob wir es wollen oder nicht, unsere Interessen zu beeinflussen. Bewusst oder unbewusst werden wir von den Werbebemühungen beeinflusst, dies haben wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt.
Jeder hat aus eigener Erinnerung festgestellt, dass einige Werbespots hartnäckig im Gedächtnis hängen bleiben.
Selbstverständlich gilt das gleiche für Wahlwerbung. Hier geht es weniger um Programme als um Personen, die für eine Werbebotschaft stehen.
Das Problem für unsere Demokratie stellen heute vor allem diejenigen Mitbürger dar, die sich für Zusammenhänge wie die hier geschilderten grundsätzlich nicht interessieren, die uninteressiert sind, da das alles so schlecht zu verstehen und zu überschauen ist, die aber gleichzeitig an jedem Stammtisch laut verkünden, ihre Interessen seien durch die Politiker da oben schlecht oder überhaupt nicht vertreten.
Häufig wird argumentiert, man wolle seine Freizeit und Freiheit nicht belasten und eingeschränkt sehen. Es sei keine angenehme oder lohnende Beschäftigung, sich im Kreise anderer mit diesen Themen zu befassen.
Eine demokratische Gesellschaft kann aber meines Erachtens auf Dauer nur angemessen funktionieren, wenn durch entsprechende Organisation und Mitarbeit jeder interessierte Mitbürger eingebunden wird.
Freiwilligkeit spielt in der Demokratie eine wesentliche Rolle. Das Interesse an der Mitarbeit kann und muss geweckt werden. Das dürfte nicht schwer sein, wenn der Einzelne das eigene Interesse am Engagement erkennt.
Die Erkenntnis der eigenen Interessen am Aufbau einer demokratischen Gemeinschaft soll hier vermittelt werden.
Bei der Freiheit verhält es sich wie bei der Freizeit: Weder Freiheit noch Freizeit sind grenzenlos. Freiheit muss verstanden werden, ihre Grenzen erkannt werden. Auch wenn ich möglichst viel Freiheit will, muss ich die Spielregeln beachten: meine Freiheit endet dort, wo berechtigte Interessen der anderen entgegen stehen. Die Rechtsordnung bietet hier einen klaren Orientierungsrahmen.
Bequemlichkeit und Faulheit haben wenig mit Freiheit zu tun, sind oft Ausrede, sind menschlich nachvollziehbar und werden geduldet.
Ebenso die Freizeit: Nichtstun ist nicht Selbstzweck. Die arbeitsverdienstfreie Zeit kann durchaus sinnvoll genutzt werden; wenn ich einen Sinn sehe beim gesellschaftlichen Einsatz, dann bin ich interessiert und bereit, auch Freizeit einsetzen.
Ich behaupte: unsere eigenen Interessen kennen wir nur ungenau
Die Erkenntnis der – und das Bewusstsein um die – eigenen Interessen sind ein viel zu wenig beachtetes Thema und eine wichtige Voraussetzung für die demokratische Gemeinschaft.
Welches Interesse habe ich als Individuum, mich einer demokratischen Gemeinschaft anzuschließen?
Ob wir wollen oder nicht: Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Demokratie, in die wir heute hineingeboren werden.
Für die meisten Menschen ist diese Gesellschaft keine gefühlte Gemeinschaft. Es überwiegen die Gebote und Verbote, die als bedrückend aber unabänderlich empfunden werden, von den Politikern oder denen da oben über den Kopf der kleinen Leute hinweg beschlossen werden ; man sucht sich seine Nische, hofft, unentdeckt zu bleiben, und lebt so im Kreise der Familie, Freunde und Bekannten vor sich hin.
Eigene Interessen werden nur am Stammtisch und im Familien- oder Bekanntenkreis angesprochen, meist wird es zu einer spontanen Verlautbarung kommen, mehr nicht; sonst gibt es Streit. Und den will keiner; man hat schließlich schon genug um die Ohren.
Zu politischen Vorgängen hat man seine Meinung, mit der man sich zurückhält; man könnte missverstanden werden. Dass alle Gewalt vom Volke ausgeht, in der Demokratie, hat jeder schon gehört, geglaubt aber nie! Die da oben. Die bestimmen, was mit uns wird!
Bei dieser Einstellung vieler Mitbürger ist es kein Wunder, dass die Verhältnisse in unserer Demokratie entsprechend sind: Wenn sich viele Mitbürger ihrer eigenen Interessen nicht bewusst sind, dann werden sich andere daran machen, diese Interessen in ihrem Sinne zu definieren und als die Interessen des Volkes auszugeben.
Entsprechend klar sind dann die Wahlvorgaben, auf den Wahlplakaten nachlesbar:
- für den Fortschritt
- mehr Sicherheit für alle
- Arbeitsplätze für alle etc. etc.
Bei den Wahlen haben wir als Bürger die Auswahl, einen der vorgegebenen Bewerber durch Ankreuzen unsere Stimme zu geben.
Diesen Bewerber kennen wir in der Regel nicht, er ist auch nach unserem Votum in erster Linie seinem Gewissen und der Partei verpflichtet; nur in den seltensten Fällen erfahren wir, wie sich „unser“ Abgeordneter“ bei den einzelnen Abstimmungen verhalten hat.
Das ganze nennt sich repräsentative Demokratie und funktioniert seit 1949 recht und schlecht.
Unsere Demokratie ist verbesserungsfähig. Das ist meine feste Überzeugung.
Voraussetzung ist, dass diese Sicht von vielen geteilt wird, die sich für eine neue Form der Organisation des demokratischen Lebens einsetzen.
Was soll innerhalb der demokratischen Basisgemeinde anders werden und was soll das bringen? Welches Interesse kann der einzelne Mitbürger haben, sich für die neue Organisation der Gesellschaft einzusetzen?
Viele große und wichtige Themen stehen politisch zur Entscheidung an:
- Umweltfragen
- Erneuerbare Energien; Erdöl steht wohl nicht mehr unbegrenzt zur Verfügung
- Das Gesundheitssystem – bleibt es bezahlbar?
- Das Rentensystem, sichert es im Alter das Überleben
- Arbeitslosigkeit, ein Dauerproblem?
Jede Änderung in den bestehenden Verhältnissen – die viele Mitbürger wünschen – bringt Interessengegensätze zum Vorschein:
Manche Mitbürger gewinnen durch Reformen, andere verlieren; die Beurteilung, ob eine Reform möglich ist und wessen Interessen sie in welcher Weise nutzt oder schadet, ist heute sehr oft ein Thema, das nur von Fachleuten hinreichend beurteilt werden kann.
Aber auch Fachleute sind keineswegs immer einer Meinung und haben auch keineswegs immer die gleichen Interessen. Grob umschrieben gilt: „wes Brot ich ess`, des Lied ich sing!“
Wer nimmt in diesem Rahmen nun die Interessen des Volkes wahr? Welcher Sachverständige wird vom Volk beauftragt? Natürlich keiner!
Die Beauftragung erfolgt über die Regierung, die Parteien, die Industrie, die Medien etc.; dabei handelt es sich um Interessengruppen, die jeweils ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen; und diese Interessen können erheblich von den Interessen anderer Gruppen abweichen.
Um beurteilen zu können, ob meine eigenen Interessen berücksichtigt sind, brauche ich deshalb heute Hilfe von denen, denen ich vertrauen kann.
Wem kann ich vertrauen?
Ich kann mich selbst in die Fachfragen einarbeiten und mir anhand von Literatur, Internet etc. eine Meinung bilden; hilfreich wäre es, wenn ich einen Fachmann persönlich kenne und ihn zu Rate ziehen kann.
Hier sehe ich einen klaren Anknüpfungspunkt: Eine Basisgemeinde beispielsweise, bestehend aus überschaubaren ca. 1500 Mitbürgern, zusammengesetzt entsprechend der Bevölkerung der BRD; diese möglichst repräsentative Zusammensetzung der Basisgemeinde soll garantieren, dass die Basisgemeinde quasi ein Abbild unserer Gesellschaft darstellt; Entscheidungen, die innerhalb der Basisgemeinde getroffen werden, erreichen damit eine höhere Qualität, da das Ergebnis jeweils (halbwegs) übertragbar auf den Rest des Republik ist.
Man denke etwa an repräsentative Befragungen der Bevölkerung durch Meinungsforschungsinstitute: die Ergebnisse dieser Befragungen gelten als zuverlässig, wenn bei der Auswahl des befragten Personenkreises die statistische Repräsentanz der Bevölkerung beachtet wird. Die Anzahl der Befragten liegt hier jeweils kaum über 1500 Personen.
Die Basisgemeinde könnte auf Grund ihrer repräsentativen Zusammensetzung zu einer wissenschaftlichen Einheit avancieren; dies wäre ein zusätzlicher Erfolg. Erarbeitete Ergebnisse auf Gemeindeebene können dann theoretisch auf andere Basisgemeinden übertragen werden, synergetische Effekte lassen sich erzielen, neue Formen des Wettbewerbs zwischen den Basisgemeinden könnten sich entwickeln……
Basisgemeinden haben wahrscheinlich ähnliche Fragen zu den oben angeführten wichtigen politischen Themen
Mehrere Basisgemeinden können sich auf einen Sachverständigen ihrer Wahl einigen, um ihre Interessen besser beurteilen zu können
Die Kosten können geteilt, die Ergebnisse (über Internet etc.) kommuniziert werden; die Antworten sind dann zwar nicht über jeden Zweifel erhaben, sie erlauben aber, die eigenen Interessen – frei von oder gleichlautend mit fremden Gruppeninteressen – klarer erkennen und ihre Durchsetzbarkeit besser beurteilen zu können.
Auf diesem Wege wird das Vertrauen in die politischen Möglichkeiten zurück gewonnen; ohne Vertrauen geht es nicht, da in unserer hochspezialisierten und technisierten Gesellschaft wir alle auf Fachleute angewiesen sind, um uns ein Bild über Vor- und Nachteile anstehender Entscheidungen zu machen.
Um dieses Vertrauen wieder gewinnen zu können, müssen wir uns Zeit nehmen, uns mit den Problemen und deren Lösungen auseinander zu setzen.
Die gemeinsame Beschäftigung mit Angelegenheiten der Basisgemeinde schafft automatisch Gemeinsamkeiten und baut Vertrauen in die Mitglieder der Gemeinschaft auf, deren Mitarbeit wir erlebt, erfahren haben und deshalb beurteilen können. Unabhängig von ihrer Herkunft, Religion, Geschlecht und Alter. Erfahrung und Schulung in Demokratie.
Die Überschaubarkeit der Basisgemeinschaft („vom Kirchturm aus“) ist deshalb ein wesentliches Element, ebenso ihre ständige Präsenz, Erreichbarkeit („ an wen wende ich mich, wenn ich Probleme habe, die mein unmittelbares Umfeld betreffen „)
Die Ausgestaltung des Alltags in der Basisgemeinde bleibt den Mitbürgern vorbehalten. Ziel sollte die Schaffung öffentlichen Lebens und der Kommunikation untereinander sein, was wiederum zu Bürger- und Gemeinsinn führen wird, zu Integration, Solidarität und mehr Gerechtigkeit.
Oder? Was spricht dagegen?
Packen wir es an: Organisieren wir uns neu zu Basisgemeinschaften; es bieten sich an Postleitzahlengebiete, Kirchengemeindegebiete etc., gegebenenfalls wiederum unterteilt in mehrere Basisgemeinschaften. Auf freiwilliger Basis.
In demokratischer Gesinnung.