„Ratlos unterm Regenbogen“ – Intellektuelle – Mit Prinzipien wie „Fortschritt durch Aufklärung“ ist die Welt nicht zu meistern: Diese Botschaft hat das postmoderne Denken in Verruf gebracht. Doch Erwiderungen von seiten der klassischen Moderne bleiben aus. Ihre Wortführer sind ratlos – hat die Intellektuellendämmerung begonnen?“
Von Johannes Salzwedel – Spiegel Nr.288 vom 7.7.97, Seite 160ff
Edition Zweite Moderne- unter diesem Titel gibt Ulrich Beck eine neue Reihe heraus: „Eine Weltordnung ist zusammengebrochen.Welche Chancen für den Aufbruch in eine Zweite Moderne!“
„Die Welt befindet sich mitten in einer globalen Transformation,“ erklärt etwa Anthony Gibbins, Direktor der London School of Economics, Berater von Premier Tony Blair…die Gestaltungskraft der Politik habe sich erschöpft, die poltischen Ideologien haben sich entleert.
Verbissen wie selten zuvor suchen Zeitanalytiker, Kulturkritiker, Philosophen, Wirtschaftsdenker und Soziologen nach Leitgedanken für ein neues Weltbild…
Suche nach Fixpunkten … mit geringem Erfolg.
Spätkapitalismus, Industriegesellschaft, Dienstleistungsgesellschaft, Arbeitsgesellschaft, Freizeitgesellschaft, Informationsgesellschaft, Risikogesellschaft, Erlebnisgesellschaft etc. Auf all diese widersprüchlichen Nenner sei unsere Lebenswelt schon gebracht worden, registriert der Berliner Soziologe Hans-Peter Müller.Ob einer der richtige ist, hät auch er für unentscheidbar.
Denn jeder, der die „plurale Deutungskonkurrenz“ (Müller) unterlaufen möchte, landet tatsächlich rasch bei Binsenwahrheiten.
Mit Formeln wie Individualisierung, Kontingenz, Diskontinuität, Pluralismus oder Kontextualisierung umreißen öffentliche Vordenker, einst Intellektuelle genannt, die Lage. Im Klartext meinen sie stets: Verlässliche Gesamt-Wahrheiten fehlen.
((siehe hierzu auch den Artikel in SZ vom 21.7.97 über Niklas Luhmann))
Meinung des Autors:
Offensichtlich ist in den vergangenen 2000 bis 3000 Jahren genug nachgedacht worden. Wenn dennoch alte Fehler immer wieder allerorts wiederholt werden, so liegt dies an der fehlenden Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse in die Alltagswirklichkeit.
Was nützt die beste Erkenntnis, wenn sie nicht in die Praxis umgesetzt wird!?
Wie kann der notwendige Druck (auf sich selbst) erzeugt werden, um eigene Erkenntnisse in Ergebnisse umzusetzen?!!
Wer kennt nicht die frustrierende Erfahrung, daß eigene gute Vorsätze immer wieder scheitern an der eigenen Trägheit, den Gewohnheiten, an sogenannten Sachzwängen. Maßhalten beim Essen und Trinken, das Auto sinnvoll nutzen, die Umwelt schonen, etc.; alles Beispiele, die verdeutlichen, wie schwer selbst in eigenen kleinen Angelegenheiten jede Umstellung fällt, selbst dann, wenn die Erkenntnis im eigenen Kopfe gereift ist.
Leichter fällt die Umsetzung eigener Ziele in Gemeinschaft mit anderen. Durch die Vorbildwirkung (des anderen), durch Gemeinschaftszwänge, die sich quasi automatisch durch die Existenz dieser Gemeinschaft ergeben. Auch hier wird Zwang ausgeübt, allerdings durch die Mitglieder der Gemeinschaft selbst, also auch durch mich auf andere und indirekt durch meine Teilhabe an der Gemeinschaft, auf mich selbst..
Dieses Phänomen, diese Besonderheit einer jeden Gemeinschaft findet m. E. zu wenig Beachtung. Die prägende Kraft der Gemeinschaft, der sich offensichtlich der einzelne freiwillig unterwirft, um der Gemeinschaft zuzugehören.
Eine Kernaussage, die zu verifizieren wäre, lautet: alle Wertvorstellungen, alle Moral, alle Kultur erwächst aus Menschen-Gemeinschaften. Entwickelt sich aus diesen Gemeinschaften/ Gesellschaften.
Sie fallen keineswegs vom Himmel.
Als Gemeinschaften in diesem Sinne sind einzustufen die Familie, der Stamm, die Gruppe (Verein, Gesellschaft, Freundeskreis, etc.), die Gemeinde, der Staat, die Kirchen u. s. w…
Sicherlich unterscheiden sich die einzelnen, in verschiedenen Gemeinschaften entwickelten Wertvorstellungen; allerdings lassen sich im Rückblick auf die Menschheitsgeschichte und im Überblick über die fünf Kontinente erhebliche Übereinstimmungen feststellen- abzulesen etwa in den Grundrechten, Menschenrechten- Übereinstimmungen, die darauf hin deuten, dass sich zumindest in den menschlichen Essentials Werte-Übereinstimmungen finden, die nahezu weltweit Geltung haben.
Diese Grundrechte definieren fast ausschließlich die unantastbaren Rechte des Einzelnen innerhalb einer jeden Gemeinschaft ; sie umreißen den Freiraum des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft, stellen also eine Interessenregelung dar im Konfliktfall zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft/Gesellschaft.
Allein die Existenz von derartigen Menschenrechten und Grundrechten weist auf den hohen Stellenwert der Regelungsbedürftigkeit gerade dieses Konflikt-Potentials hin.
Wenn nahezu alle Staaten dieser Welt sich auf Grundrechte der einzelnen Person wie Würde, Freiheit, Gleichheit, Unverletzlichkeit der Person, einigen konnten, so doch wohl nur deshalb, weil überall die gleichen Interessenkonflikte jeweils zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft ausgemacht wurden und Einigkeit erzielbar war über bestimmte Grundregeln der Konfliktlösung.
Ist es gewagt, zu behaupten, dass alle Grund- bzw. Menschenrechte sich direkt aus dem Alltag der Gemeinschaft herausgebildet haben??!!
Dass die Praxis des Zusammenlebens bestimmte Grundrechte des Einzelnen quasi empirisch herausgebildet hat, da sich nur auf diese Weise ein Überleben auch größerer (weniger homogener) Gemeinschaften sichern ließ (darwinistischer Aspekt: die größere Gruppe bietet mehr Stärke/Macht/Sicherheit )??!!
Nun wieder zur Wahrheit, dem fehlenden Weltbild, dem Sinn des Lebens …
Letzte Wahrheiten zu destillieren, festzumachen wird immer das Ziel menschlichen Denkens bleiben.
Allein: Uns Menschen ist kein Organ mitgegeben, die Wahrheit als solche zu verifizieren; weder Augen noch Ohren, weder Nase noch Mund sind in der Lage, diese Aufgabe zu übernehmen, wir können die Wahrheit auch weder spüren noch logisch verifizieren über den Verstand.
Ein Rückblick auf die Vergangenheit lehrt, dass nahezu alle „ehemaligen“ Wahrheiten, um deretwillen Kriege geführt oder Menschen ausgegrenzt wurden, als widerlegt gelten oder aber heute keine Bedeutung mehr haben.
Über das Zusammenspiel unserer Organe sind wir allerdings in der Lage, unter Zuhilfenahme unseres Verstandes, Thesen/Wahrheiten zu falsifizieren, also als unbrauchbar auszusondern (siehe hierzu Karl Popper)
Wir können damit aber nicht positiv entscheiden, ob eine These/Wahrheit letztendlich zur alleinigen Richtschnur unseres Handelns und Denkens, zum alleinigen Maßstab unseres Lebens taugt.
Andererseits können wir relative Aussagen machen, indem wir konstatieren, dass diese These/Aussage sich nach allen bisherigen Erkenntnissen am besten als Maßstab für unser Handeln eignet.
Ausgangspunkt und Messlatte für die Beurteilung der Eignung einer These/Aussage muss der Mensch sein, die Erkenntnis über den Menschen und seine Interessen, den Menschen als Gemeinschaftswesen (zoon politikon). Auch dies ist eine Arbeitsthese.
Doch: wo anders soll ein Ausgangspunkt gesucht werden, welcher andere Maßstab könnte zugrunde gelegt werden, wenn es keine letzte Wahrheit gibt?!!
Für ein Erkenntnisverfahren, ein empirisches Verfahren, zur Ermittlung oder Wiederauffindung (verlorengegangener) Werte bietet sich nur der Mensch als Kreatur an.
Außermenschliche Fähigkeiten sind uns nicht mitgegeben auf den Lebensweg. Ebenso wenig wie letzte Wahrheiten, an denen wir uns blind orientieren könnten.
An dieser Stelle ein kurzer Exkurs zum Glauben, zu den Religionsgemeinschaften: Glaube bedeutet, einen Sachverhalt fest für wahr halten. Glauben bedeutet subjektive Gewissheit, die sich allerdings zwingend nicht vermitteln lässt.
Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft setzt die Bereitschaft voraus, sich auf eben diesen Glauben einzulassen. Es gibt zwar Gottesbeweise, die auch einen Ungläubigen überzeugen können.
Es gibt aber keine Beweise, durch die sich Glaubensbekenntnisse legitimieren ließen. Der Glaube rechtfertigt sich durch sich selbst, ist deshalb nicht widerlegbar, entzieht sich andererseits aber grundsätzlich jeder Verifizierung und Falsifizierung und bietet deshalb keinen brauchbaren Ansatz für die Suche nach der Wahrheit, dem Sinn des Lebens , einem neuen Weltbild.
Der Glaube gibt Antworten auf die hier gestellten Fragen; da er sich selbst per Definition nicht infrage stellen kann, widersetzt er sich jedem Suchen nach Antworten im wissenschaftlichen Sinne.
Zu den Grundrechten jeder Person gehört die Glaubensfreiheit. Dies sollte unstreitig sein.
Unstreitig erscheint mir allerdings auch, dass das Glauben nicht verwechselt werden darf mit dem Wissen um das Wahre/die Wahrheit.
Wäre das Wahre positiv und mit letzter Sicherheit auszumachen, so würde dies den Glauben überflüssig machen; er könnte ersetzt werden durch den Nachweis der Wahrheit – nachvollziehbar und nicht falsifizierbar – alle Religionen würden vereint werden.
Die Religionsgemeinschaften wiederum repräsentieren diejenigen Mitmenschen, die sich auf einen gemeinsamen Glauben eingelassen haben.
Die Größe der Gläubigen-Gemeinschaft bedeutet Macht-Zuwachs für die einzelne Religionsgemeinschaft; bietet aber keine Gewähr für die „Wahrheit des Glaubens“; über Wahrheiten – darüber dürfte kein Zweifel bestehen – kann nicht durch Mehrheiten entschieden werden.
Wenn demnach weder die Sinneskräfte des Menschen noch seine Fähigkeit zum Denken oder zum Glauben es bisher zustande gebracht haben, den letzten Sinn des Lebens, die letzte Wahrheit auszumachen, ein verbindliches Weltbild zu definieren, dann sollten wir uns damit möglicherweise abfinden und uns damit begnügen, unsere derzeitigen Erkenntnisse in Richtung Wahrheit und Weltbild festzuzurren und in die Realität umzusetzen.
Vielleicht unterliegt auch die letzte Wahrheit einem Wandel genau wie wir Menschen auch, vielleicht befindet sich alles im Flusse.
Heraklit von Ephesus, * um 550 gest. um 480 vor Chr., griechischer Philosoph
Heraklit, der wegen seines schwer verständlichen Denkens „der Dunkle“ genannt wurde, übte harte Kritik am Aberglauben und an den Darstellungen der Dichter.
Setzte gegen die statische Seins-Auffassung der eleatischen Philosophie das (vernunftbegabte) Feuer als Prinzip des Seienden, das er als Inbegriff seiner Wandelbarkeit empfand. Der Kosmos vergeht im Feuer und entsteht wieder aus ihm im dauernden Wechsel. Ausdruck seiner Grundthese von der Veränderlichkeit der Dinge sind seine berühmten Sätze: Der Krieg ist der Vater aller Dinge“ und „Niemand kann zweimal in denselben Fluss steigen“. Der Satz „panta rhei“ (alles fließt“) wird H. fälschlicherweise zugeschrieben.
Zitiert aus Meyers Enzyklopädisches Lexikon
Verlässlicher Ausgangspunkt für einen neuen Beginn der Suche nach dem „Wie soll es weitergehen?!“ kann nur der Mensch sein, das bisher weltweit erarbeitete Wissen über den Menschen, genauer: der Mensch in der Gemeinschaft.
Als Einzelwesen ist der Mensch zu allem und zu nichts fähig, erst durch den Kontext mit seinem Umfeld, als Mitglied der Familie, einer Gruppe, einer Gemeinschaft wird er zum Zoon Politikon, zum politischen Lebewesen, zum Citoyens, zum Mitmenschen … und in dieser Rolle zum Ausgangspunkt der Reflexion.
Die Suche, auch im Ansatz, nach einem neuen Weltbild macht einen Ausgangspunkt erforderlich, der überall auf dem Erdball nachvollzogen und gleichermaßen akzeptiert werden kann. In diesem Sinne ist „der Mensch in der Gemeinschaft“ all-überall auf der Erde leibhaftig vorhanden. Seine Existenz kann nicht ernsthaft in Frage gestellt werden.
Während die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Menschen als Lebewesen durch Medizin, Psychologie, Chemie, Paläontologie etc. in vielen Bereichen hinreichend erforscht worden sind, die wissenschaftlichen Ergebnisse sich segensreich für die Menschheit ausgewirkt haben, scheinen mir die Erkenntnisse über den „Menschen in der Gemeinschaft“, die zweifellos in der Wissenschaft gemacht wurden und gedruckt vorliegen, immer noch einer Umsetzung in die Praxis zu harren.
Beispiele: Glaubenskriege, trotz klarer Erkenntnis, dass sich Glaube und Meinungen nicht mit Gewalt erzwingen lassen.
Folglich geht es in diesen Kriegen nicht um den Glauben, sondern allein um die Macht: Nach dem Grundsatz „divide et impera“ werden die Mitmenschen in Gläubige und Ungläubige aufgeteilt, in Mitkämpfer und Dissidenten, um dann für etwas zu streiten, das sie selbst niemals als eigenes Ziel erkannt hätten.
Siehe die Kreuzzüge, den Dreißigjährigen Krieg, etc.
Ein Vorschlag für einen Ansatz zu einem gemeinsamen Weltbild könnte sein: Es geht um den Menschen und sein (Über-) Leben auf Erden.
Dafür lohnt es sich einzusetzen. Allüberall und zu jeder Zeit. Gott, in welcher Glaubensausrichtung auch immer, ist stark genug, er bedarf keiner Hilfe der Erdenmenschen. Andererseits hat er sie alle geschaffen, die Erdenmenschen.